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Comedy / Drama | Regie | | Cagan Irmak ... | Buch | | Cagan Irmak ... | Darsteller | | Binnur Kaya ... Hanife | | Çetin Tekindor ... Hüseyin | | Fikret Kuskan ... FIRST | | Hümeyra ... Babanne | | Serif Sezer ... Teyze | | Yetkin Dikinciler ... Salim | | Özge Özberk ... Sadik's Girlfriend | Verleih | | Maxximum Film und Kunst GmbH ... | | Agent |
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KarlOtto |
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Wertungen | | 7 |
Durchschnitt | | |
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Start in den deutschen Kinos: 02.03.2006
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"Vielen Dank, dass Sie uns mit diesem Film einen so guten Einblick in eine türkischen Familie ermöglicht haben" - diesem Schlusswort eines Zuschauers nach der Vorführung auf dem "15.Filmfestival Türkei/Deutschland", an den für eine kurze Fragerunde vorbeischauenden Regisseur Çağan Irmak gerichtet, kann ich nur teilweise zustimmen.
Für mich impliziert er nämlich, dass dies ein Film ist, der einem deutschen Zuschauer hilft, "die Türken" zu verstehen, so als wären sie Wesen eines fremden Planeten, mindestens aber einer so fremden Kultur, dass eine Laufzeit von 108 Minuten nötig wäre, um ihre Gedanken, Gefühle und ihr Verhalten zu verstehen.
Dabei setzt "Mein Vater und mein Sohn" auf ein universelles Thema: das Beziehungsgeflecht in einer Familie. Dass schon die Eröffnungsszene am 12. September 1980 spielt, an dem Tag, an dem sich ein Militärputsch in der Türkei ereignet, ist zwar ebenso relevant für die (äußere) Handlung des Films wie die gegensätzlichen Lebenswelten von Sadık in Istanbul und der Familie im Dorf, aber die wirklichen Konflikte des Films spielen sich genauso auch im Jahr 2010 in Deutschland täglich ab. Die Erwartungen eines Vaters an seinen Sohn. Die Versuche eines Sohnes, seinen eigenen Weg zu gehen und dennoch seinen Vater nicht zu enttäuschen. Streitigkeiten zwischen Schwestern über ein Erbe. Älterwerden. Leben. Tod. Das große Ganze und die kleinen Teile. All diese Konflikte werden subtil eingeführt, sie treten nicht plötzlich auf und werden direkt gelöst, sondern wie so häufig im echten Leben liegt ihre Entstehung schon Jahre zurück in der Vergangenheit, in der Gegenwart tauchen sie im Gewand von gestörten Beziehungen auf und in der Zukunft, im Laufe des Films also, werden nur manche direkt angepackt, manche entspannen sich als Nebeneffekt anderer Ereignisse und manche bleiben bestehen.
Technisch ist der Film durchaus gelungen; Musik, Kamera und Schnitt betreten zwar kein Neuland, sind aber an keinem Moment unpassend und bieten ein gutes Fundament für den Film. Hervorzuheben sind die fantastischen Sequenzen, in denen Deniz die wahren Ereignisse vermischt mit Helden seiner Comics und Kinderbücher sieht.
Die Schauspieler liefern durch die Bank eine gute Vorstellung ab, lediglich eine Szene wirkte in ihrer stark vorgetragenen Emotionalität zunächst etwas befremdlich auf mich, im weiteren Verlauf wurde aber klar, dass die Darsteller nicht übertrieben gespielt haben, sondern die Expressivität gut erklärbar war und im Rückblick würde ich diese Stelle des Films sogar als einen Höhepunkt einstufen.
Am stärksten glänzt der Film dort, wo es besonders wichtig ist: beim Drehbuch. Der Film kommt ohne Krücken wie einen Erzähler aus, der Zuschauer erfährt beiläufig und subtil von der Vorgeschichte der Figuren. Stilmittel wie der Zeitsprung nach der Anfangsszene, die Fantasiesequenzen des Jungen und in wenigen Szenen die Überlagerung von früheren (für den Zuschauer unbekannten) Dialogen über das aktuelle stumme Geschehen, helfen die Vorgeschichte auszubauen ohne künstlich zu wirken.
Regisseur und Drehbuchautor Irmak ergreift an keiner Stelle Partei für eine der Figuren, jeder seiner Charaktere hat Stärken und Schwächen, erscheint gleichzeitig sympathisch, aber auch von eigenen Interessen getrieben. Nuran, die als Ehefrau bzw. (Groß-)Mutter der drei Hauptfiguren eine Schlüsselrolle in der Geschichte innehat ist ebenso interessant geschrieben wie alte Schulfreunde von Sadık, die nur in einer Szene auftauchen.
Die Handlung, über deren Inhalt ich ansonsten nichts verraten möchte, ist im Kern ein Drama, das mich in der Stärke seiner Darstellung und aufrichtigen emotionalen Entfaltung am Schluss zum Weinen gebracht hat, gleichzeitig zeichnet den Film über weite Strecken eine Leichtigkeit aus und eigentlich ernste Familienkonflikte werden mit nie aufgesetzt wirkendem Humor versüßt.
Kunstvoll und subtil werden über den Film hinweg immer wieder kleine Handlungsfäden aufgespannt, die sich im weiteren Verlauf auszahlen, wobei ich einige Male überrascht wurde und mir dachte "Stimmt, das war ja auch noch".
Dank des tollen Drehbuchs gelingt es dem Film, aus einer eigentlich einfachen Handlung eine bestmögliche, weil mitreißende, stellenweise witzige, berührende und nachdenklich machende Geschichte zu erzählen.
9/10